Geistliches Chor- und Orgelkonzert

St. Wolfgang in Dieburg am 8.2.2004 um 17.00 Uhr

Petruskirche Darmstadt-Bessungen am 14.2.2004 um 19.30 Uhr

Ev. Dreifaltigkeitskirche Reinheim am 15.2.2004 um 19.00 Uhr

An der Orgel: Joachim Enders, Darmstadt

Collegium Musicum Vocale Darmstadt

Leitung Monika Gößwein-Wobbe

  Gottfried A. Homilius
(1714 - 1785)
Domine ad adiuvandum me (1784)
Da es nun Abend ward (doppelchörig)
Unser Vater in dem Himmel

  Georg Muffat
(1653 - 1704)
Toccata X für Orgel, aus: "Apparatus musico-organisticus"

  Johann Ph. Kirnberger
(1721 – 1783)
Der 137. Psalm: An den Flüssen Babylons

  Heinrich Kaminski
(1886 - 1947)
Der 130. Psalm: Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir!
  Johann Sebastian Bach
(1685 - 1750)
Orgelchoral "An den Wasserflüssen Babylons"
BWV 653b

  Joseph G. Rheinberger
(1839 – 1901)
4 Motetten:
Ich liebe, weil erhöret der Herr, op.40 Nr.1
Warum toben die Heiden, op.40 Nr.2
Der Herr erhöre dich, op.40 Nr.3
Salve Regina op. 107 Nr. 4

  Felix Mendelssohn-Bartholdy
(1809 - 1847)
Orgelsonate f-moll op. 65 Nr.1:
Allegro moderato e serioso
Adagio
Andante recitativo
Allegro assai vivace

  Richard Rudolf Klein
(*1921)
RELIGIO MUNDI
8 Motetten nach Quellen der Weltreligionen für gemischte Stimmen

  Hier eine Pressekritik zu unserem Konzert.
 

Die Chorstücke des Programms sind vorwiegend Psalm- und Choralvertonungen, die sich - auch aus Frühklassik, Hochromantik oder gemäßigter Moderne stammend - sämtlich auf die alte Schule des barocken Kontrapunkts stützen, dieser aber den ästhetischen Stempel ihrer jeweiligen Zeit aufdrücken.

Bei den beiden Bach-Schülern Gottfried August Homilius (1714 -1785) und Johann Philipp Kirnberger (1721-1783) lässt sich sehr schön erkennen, wie sie einerseits sowohl die handwerkliche Tradition des "Fugenschreibens" beherrschen, andererseits aber bereits mit ihren exzentrisch detaillierten dynamischen Anweisungen zum musikalischen Sturm und Drang der Frühklassik überleiten. Dies manifestiert sich bei Kirnbergers Psalmvertonung "An den Flüssen Babylons" auch in den völlig musikfernen, gefühlsbetonten Überschriften. Von den drei Homilius-Motetten beruhen die Vater-unser-Vertonung und das doppelchörige "Da es nun Abend ward" noch eindeutig auf der Beherrschung der alten handwerklichen Schule, während das lateinische "Domine ad adjuvandum" über sie hinaus in die musikalische Ästhetik der Klassik weist.

Die musikgeschichtliche Bedeutung von Georg Muffat (1653 - 1704) liegt in seiner Vermittlerrolle zwischen der französischen und italienischen Barockmusik, deren Stile er in seinem Schaffen vereint. So beginnt die Toccata 10 aus dem "Apparatus musico-organisticus" von 1690 (12 Orgeltoccaten) nach Art einer französischen Ouvertüre, endet aber mit virtuosem Laufwerk in der Manier des italienischen Komponisten Frescobaldi. In den fugenartigen Abschnitten sind auch Einflüsse des norddeutschen Orgelmeisters Dietrich Buxtehude zu erkennen.

Auch Heinrich Kaminskis (1886 - 1946) Kompositionskunst fußt eindeutig in der barocken Tradition, erschließt ihr aber ein rauheres, unwegsameres Klangbild. Durch die Verwendung von Harmonien, die zwar noch klar tonal zuzuordnen sind, aber doch teilweise auch traditionelle Zwänge negieren und dissonant unterlaufen, steht sein Name für den Übergang von der Spätromantik zur klassischen Moderne.

Der Orgelchoral "An Wasserflüssen Babylon" von Johann Sebastian Bach (1685-1750) ist die meditative Ausdeutung eines gleichnamigen Kirchenlieds von Wolfgang Dachstein (1525) auf den Text des 137. Psalms. Eine Besonderheit dieses Orgelstücks ist die selten gebrauchte Schreibweise für Doppelpedal (Tenor- und Bassstimme liegen im Pedal).

In den Zusammenhang dieses Chorprogramms gestellt, muss Josef Gabriel Rheinberger (1839 - 1901), obwohl erst 1901 gestorben, wohl als der Chor-Komponist erscheinen, der am wenigsten Fragen zu seiner stilistischen "Verortung" aufwirft und auch keinen Umbruch verkörpert: Seine Motetten nach Psalmtexten und das lateinische Salve Regina sind eindeutig von einer einfachen romantischen Tonsprache geprägt, bedienen sich aber auch souverän der Mittel des alten Kontrapunkts und der musikalischen Rhetorik.

Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 - 1847) fasste im Jahre 1845 vierundzwanzig kleinere, bisher unveröffentlichte Orgelstücke (in England "Voluntaries" genannt) zu sechs Sonaten unter der Opuszahl 65 zusammen. Die 1. Sonate macht unter anderem durch die Verwendung einer Choralmelodie im ersten Satz auf sich aufmerksam, ohne dass dies aus der Überschrift hervorgeht, ein musikgeschichtliches Novum, das uns bei Mendelssohn aber auch in der 3. Orgelsonate, im Schlusssatz des 2. Klaviertrios und in der Reformationssinfonie begegnet.

Der Frankfurter Komponist Richard Rudolf Klein (*1921) hat in seinem 2002 uraufgeführten Motettenzyklus RELIGIO MUNDI den hochaktuellen Dialog der verschiedenen Weltreligionen zum Thema gemacht. In seiner vielfältigen und rhythmisch sehr lebendigen musikalischen Sprache, aber auch in der einfachen Durchschaubarkeit und der Ausstrahlung von Lebensfreude, erschließt er sich sofort jedem auch musikalisch unerfahrenen Ohr.

(Text: J. Enders / M. Gößwein-Wobbe)